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Ampelographie

ampélographie (franz.), ampelography (engl.), ampelografia (ital.)
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Die Wissenschaft über das Beschreiben der Rebsorten (ampelos = grch. Weinstock) ist ein Teilbereich der Önologie. Nach der griechischen Mythologie entspross dem Leib des bei der Jagd getöteten Satyrn Ampelos die erste Weinrebe. Sein Gefährte Dionysos pflanzte sie zuerst in einen Vogelknochen. Als dieser zu klein wurde, in einen Löwenknochen, sowie schließlich in einen Eselsknochen. Somit konnte er die Rebe überall hin mitnehmen. Rebsorten zu unterscheiden wurde schon in der römischen Antike versucht und bereits Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) stellte fest, dass sich hinter verschiedenen regionalen Namen oft ein und dieselbe Rebsorte verbergen kann. Bereits aus dem späteren Mittelalter sind Aufstellungen von verschiedenen Autoren mit den Namen regional angebauter Rebsorten überliefert. Die Beschreibungen sind jedoch oft ungenau, so dass man auf Grund von Namensähnlichkeiten bezüglich der tatsächlichen Rebsorten nur spekulieren kann. Nach Etablierung des Buchdrucks und Begründung der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie durch Carl von Linné (1707-1778) begann sich auch die Ampelographie zur botanischen Wissenschaft der Rebsorten zu entwickeln. Die Wortschöpfung stammt vom Botaniker Philipp Jakob Sachs von Löwenheim (1627-1672), der sein im Jahre 1661 publiziertes umfangreiches Werk über den Rebstock mit „Ampelographia“ betitelte. Es dauerte allerdings rund 150 Jahrer, bis sich dieser Begriff als Bezeichnung für einen eigenständigen wissenschaftlichen Bereich durchsetzen konnte. Nach ihm schuf Balthasar Sprenger (1724-1791) aus dem Kloster Maulbronn ein dreibändiges Werk über den Weinbau mit hunderten detallierten Rebsorten-Beschreibungen. Heute versteht man unter Ampelographie das Beschreibung der phänotypischen und genotypischen Eigenschaften der Rebsorten und die Charakterisierung durch differenzierende, sortentypische Merkmale. Dazu gehört auch die Evaluierung der weinbaulichen Sortenmerkmale, die Beschreibung und Bewahrung der Klonenvielfalt, sowie die Aufdeckung der Abstammung von historischen Sorten unbekannten Ursprungs. Die Rebsorten-Bestimmung erfolgt aufgrund des Habitus (äußerlicher Merkmale) und vegetationszyklischer Eigenschaften wie Blüte-, Austriebs- oder Reifezeitpunkt. Mittels DNA-Analysen kann eine Klärung der Abstammung erfolgen. Die Blütezeit der Ampelographie fällt ins 19. Jahrhundert. Vor allem in Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich-Ungarn erfolgten umfangreiche und detaillierte Beschreibungen der in den jeweiligen Ländern angebauten oder in den Rebsortimenten vorhandenen Rebsorten. Berühmte Ampelographen dieser Zeit im deutschsprachigen Raum waren zum Beispiel Carl Friedrich von Gok (1776-1849), Johann Philipp Bronner (1792-1864), Johann Metzger (1789-1852) oder August-Wilhelm Freiherr von Babo (1827-1894), in Frankreich Victor Pulliat (1827-1896) und in den Vereinigten Staaten Thomas Volney Munson (1843-1913). In Italien erschien im Jahre 1877 das von Giuseppe di Rovasenda (1824-1913) verfasste Werk „Saggio di Ampelografia Universale“, in dem 3.666 Rebsorten aus der weltweit größten Rebsortensammlung bei Turin beschrieben sind. Im deutschsprachigen Raum setzte Hermann Goethe (1837-1911) einen Höhepunkt mit der Veröffentlichung seiner zweiten Auflage des Handbuchs für Ampelographie im Jahre 1887. Zur Krönung dieser ampelographischen Epoche wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das siebenbändige Werk „Ampélographie“ von den französischen Ampelographen Victor Vermorel (1848-1927) und Pierre Viala (1859-1936) herausgegeben. Darin beschreiben mehrere französische Autoren die bis dahin bekannten europäischen Rebsorten, mit 24.000 Rebsortennamen und den ihnen zugeordneten Synonymen. Wenn auch nicht fehlerfrei, so ist dieses Werk bis heute das umfassendste Standardwerk über die traditionellen Rebsorten in Europa. Die Rebsortenbeschreibungen im 18. Jahrhundert konzentrierten sich vor allem auf die Aspekte der Trauben und Beere, nach denen in erster Linie die Identifizierung erfolgte. Diese Methode war noch relativ fehleranfällig und unsicher. Doch ab dem 19. Jahrhundert trat das Blatt als Organ zur Sortendifferenzierung immer mehr in den Vordergrund. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die gesamte Morphologie der Rebsorten (Eigenschaften von Stamm, Holz, Blatt, Triebspitze, Traube, Beere) akribisch beschrieben und zur Sortenidentifizierung herangezogen. Die Rebsorten werden dabei nach bestimmten Merkmalen (Beerenform, Beerenfarbe, Behaarung des Blatts, Form des Endzahns) in Gruppen eingeteilt und klassifiziert, zahlreiche regionale Synonyme werden aufgeklärt und dokumentiert. Obwohl Hermann Goethe bereits im Jahr 1876 dies angeregt hatte, wurden ampelometrische Kriterien wie das vermessene Verhältnis von Länge und Breite bestimmter Blattstrukturen oder die Winkelgrößen zwischen den Hauptnerven erst im 20. Jahrhundert in größerem Umfang angewendet. Zu den bekanntesten Ampelographen der Neuzeit zählen die Franzosen Pierre Galet (geb. 1921) und Paul Truel (geb. 1924), die an der Universität in Montpellier tätig waren. Beide erkannten hunderte von Rebsorten auf den ersten Blick. Die Kriterien zur Beschreibung von Rebsortenmerkmalen sind heute eindeutig in den Merkmalskatalogen der internationalen Verbände OIV und UPOV definiert. Als wichtigste Organe zur Sortendifferenzierung gelten die Triebspitze, das Blatt, die Traube sowie die Beere. Kriterien sind Farbe, Form, Behaarung der Triebspitze und Blätter, Größe und Charakter der Trauben, sowie Form, Farbe, Geschmack und Samengehalt der Beeren. Mit der Entwicklung moderner Labormethoden wird versucht, Rebsorten auch mittels Inhaltskomponenten (Iso-Enzyme) und DNA-Profilen zu differenzieren und zu identifizieren. Seit 1995 steht die Technik des genetischen Fingerabdrucks (Mikrosatelliten-Analyse) zur Verfügung, mit dem Rebsorten eindeutig im Labor erkannt werden können. Alle namhaften Weinbau-Institute der Welt beschäftigen sich damit, Rebsorten anhand der genetischen DNA-Profile molekulargenetisch zu charakterisieren und Referenzprofile festzulegen Der endgültige Abgleich der in den verschiedenen Ländern vorhandenen Rebsorten ist aber noch im Gange. Die Methode wurde mittlerweile standardisiert, so dass sich die genetischen Fingerabdrücke verschiedener Arbeitsgruppen nun leichter vergleichen lassen. In den nächsten Jahren sind deshalb neue Erkenntnisse zu erwarten. Dass es trotz dieser eindeutigen Kriterien trotzdem immer noch zu Identifizierungs-Problemen kommen kann, ist unter Müller-Thurgau bezüglich der Klärung der Vaterschaft beschrieben.

Quelle: https://glossar.wein-plus.eu/ampelographie

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